Gutes tun, Erfahrungen sammeln, Eindruck machen
Zehn Jahre Berufspraktikum an der Alexander-von-Humboldt-Schule – ein Erfolgsmodell
LAUTERBACH (pm). Sie haben im Sportverein Kinder betreut, im Tierheim Hunde gefüttert und bei der Tafel Lebensmittel verteilt: Die Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen der Alexander-von-Humboldt-Schule haben im vergangenen Schuljahr viel erlebt – diejenigen zumindest, die sich für ein Sozialpraktikum entschieden hatten, das sie anstelle des Religions- oder Ethik-Unterrichts absolvieren konnten. Das Engagement in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist für sie die praktische Umsetzung der Inhalte aus diesen Fächern, gelebte Nächstenliebe gewissermaßen.
Seit zehn Jahren bietet die Alexander-von-Humboldt-Schule das Praktikum in Kooperation mit zahlreichen Einrichtungen in und um Lauterbach an. Das Gymnasium will seinen Schülerinnen und Schülern damit nicht nur einen Einblick in verschiedene Lebenssituationen ermöglichen, sondern auch den Erwerb sozialer und kommunikativer Kompetenzen. „Wir möchten unsere Schülerinnen und Schüler ermuntern, sich in die Lage von Schwächeren, Hilfsbedürftigen und Benachteiligten hineinzuversetzen und soziale Sensibilität zu entwickeln“, umreißt Dr. André Tolksdorf eine Zielsetzung dieses Angebots. Der Lehrer für Ethik und Evangelische Religion koordiniert das Sozialpraktikum seit dessen Einführung an der AvH und ist sich sicher, dass die jungen Menschen in dieser Zeit lernen, wie wichtig soziales Engagement ist, welche Bedeutung es hat, Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen zu übernehmen. „Dieses Bewusstsein trägt seine Früchte auch in der Schule und im Unterricht“, sagt Tolksdorf.
28 Schülerinnen und Schüler konnte er in diesem Jahr mit den Zertifikaten des Sozialpraktikums auszeichnen. Stolz präsentierten sie ihre Urkunden und berichteten begeistert von den vielen verschiedenen Erfahrungen, die sie machen durften. Je nach Organisation waren sie ein halbes Jahr lang jede Woche etwa 90 Minuten in der Einrichtung ihrer Wahl. „Ich hatte große Lust, etwas mit Menschen zu machen“; berichtet Lara. Sie hat im Sportverein eine Kindergruppe mitbetreut und wie viele ihre Mitschüler, die ein Betätigungsfeld in Vereinen gefunden haben, gelernt, wie anders, verantwortungsvoll und teilweise auch herausfordernd die Arbeit mit Kindern sein kann. Die gleiche Erfahrung konnte Emilia in der Kita machen. Für sie war mit ein Grund für das Praktikum dort, dass sie gleichzeitig in das Berufsbild der Erzieherin schnuppern konnte. Und das ist nicht der einzige persönliche Vorteil, den ein Sozialpraktikum bietet: „Unser Teilnahmezertifikat können wir später unseren Bewerbungsunterlagen beifügen“, so Carl. Er hat sein Praktikum im Tennisverein gemacht und ist wie seine Mitschülerinnen und Mitschüler froh, dass die Schule ihm diese Möglichkeit gegeben hat. Mit der Unterstützung von Vereinsaktivitäten konnten viele der jungen Leute den Radius ihres eigenen Hobbys ausdehnen. Nicht wenige von ihnen wollen auch zukünftig beim Handball, Tennis oder beim Fußball als Betreuerinnen oder Betreuer in ihren Vereinen bereitstehen, Wissen weitergeben und etwas von dem Guten zurückgeben, das sie selbst dort erfahren haben. Eine ganz besondere Erfahrung konnte Flinn in der Lauterbacher Tafel machen. Er hat sein Sozialpraktikum dort in den Ferien absolviert, da die Öffnungszeiten es nicht anders zuließen. „Ich habe viel über Lebensmittel gelernt“, sagt der Fünfzehnjährige, „und ich habe Menschen aus sehr verschiedenen Verhältnissen kennengelernt. Zu sehen, wie froh die Kunden der Tafel sind, dass sie hier Lebensmittel abholen können, macht einerseits Freude, andererseits denkt man auch darüber nach, dass Jobs und Einkommen sehr unterschiedlich verteilt sind und es auch bei uns viele Bedürftige gibt.“
Nach dem Sozialpraktikum ist vor dem Sozialpraktikum: Die zukünftigen Neuntklässler stehen schon in den Startlöchern und auch sie freuen sich auf neue Erfahrungen: Marija wird im Lauterbacher Krankenhaus Dienst tun, Ava möchte versuchen, einen Platz in einem Altersheim oder einer Kita zu finden, also mit Menschen außerhalb ihrer eigenen Altersgruppe zu arbeiten. Leila zieht es direkt in die Kita. Sie möchte als noch junge Ansprechpartnerin den Kindern ein besonderes Angebot machen. Sie ist sich mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einig: „Das ist ein tolles Angebot der Schule – ich freue mich darauf, anderen ein wenig meiner Zeit zu schenken.“ Ava fügt hinzu: „Wir lernen hier in der Praxis, was wir im Ethik- oder Religionsunterricht sonst nur in der Theorie durchnehmen. Das Sozialpraktikum bietet damit einen großen Vorteil.“
Koordinator Dr. André Tolksdorf weiß um die Vorteile und den Gewinn, den die Schülerinnen und Schüler aus dem Sozialpraktikum ziehen. „Aus diesem Grund ist das Sozialpraktikum im kommenden Jahr auch verpflichtend für den ganzen Jahrgang.“ Er freut sich, dass die Einrichtungen und Vereine rund um Lauterbach Plätze für die Praktika zur Verfügung stellen – immerhin 100 bis 120 werden im Jahr benötigt. War es während der Pandemie schwierig geworden, Plätze zu finden, zumal in sensiblen Bereichen wie Altenheimen oder Krankenhäusern, öffnen sich viele Einrichtungen jetzt wieder. „Die Jugendlichen organisieren sich aber oft selbst, fragen initiativ in ihren Vereinen oder ihnen bekannten Häusern nach“, berichtet Tolksdorf. „Auch das ist ein Zeichen für soziale und kommunikative Kompetenz. Das Sozialpraktikum ist als Gesamtpaket daher ein wesentlicher Baustein in der Persönlichkeitsbildung.“Eine sehr herzliche Angelegenheit: das Sozialpraktikum an der AvH. Hier die Absolventen mit ihren Urkunden, in der Mitte Dr. André Tolksdorf.Luftballons zum zehnjährigen Bestehen des Sozialpraktikums ließen die engagierten Schülerinnen und Schüler auf dem Pausenhof steigen.