Dr. Stefanie Czischek sprach in der AvH über ihren Werdegang, Künstliche Intelligenz und Quantenphysik
LAUTERBACH (pm). 2010 hat sie ihr Abitur an der Alexander-von-Humboldt-Schule abgelegt. Zwölf Jahre später ist sie Professorin im Fach Physik an der University of Ottawa – ein Weg, der für Dr. Stefanie Czischek aus Herbstein sicher nicht vorgezeichnet war, bisher jedoch folgerichtig und Ergebnis begeisterter Arbeit und guten Netzwerkens.
Eine Deutschlandreise zu einem Kongress in Dresden verband sie jetzt mit einem Besuch in der Heimat und sprach vor wenigen Tagen an ihrer alten Wirkungsstätte vor Schülerinnen und Schülern der Q2 und Q4 über Karriere, Künstliche Intelligenz und Forschung. Der stellvertretende Schulleiter Joachim Gerking begrüßte sie herzlich und stellte mit der Preisträgerin des Springer Thesis Award eine Frau vor, die eine beeindruckende Laufbahn vorzeigen kann und in einem Fach brilliert, das vielen Menschen nicht zugänglich ist: Dr. Stefanie Czischek forscht zu künstlichen neuronalen Netzen, Quantenzuständen und neuromorpher Hardware.
Doch bevor die 32-Jährige auf diese Themen – alles Bereiche dessen, was landläufig als KI bezeichnet wird und doch von den wenigsten erfasst werden kann – zu sprechen kam, stellte sie ihren Werdegang vor: Ihre Faszination für das Fach Physik habe schon in der Schule begonnen, berichtete sie. Obwohl diese Naturwissenschaft keiner ihrer Leistungskurse war, studierte sie dieses Fach nach dem Abitur in Heidelberg. Früh spezialisierte sie sich auf theoretische Physik und schrieb ihre Bachelorarbeit über die Simulation von Vogelschwärmen als physikalische Modelle. Ein Thema, das zumindest noch ansatzweise auch Nichtwissenschaftlern zu vermitteln war. Auch für die Masterarbeit blieb die Vogelsbergerin in Heidelberg – eine Stadt, die sie sehr empfiehlt, als Studienort, aber auch als touristisches Ziel. Mit fortschreitendem Studium wurden die Themen abstrakter: In ihrer Masterarbeit behandelte Czischek die Simulation von Quantensystemen, die aus dem Gleichgewicht gebracht wurden. Sie präsentierte dazu graphische Darstellungen, die dies gut visualisierten. Die Schülerinnen und Schüler nutzten die offene, zugewandte Art der Rednerin für Rückfragen. So erfuhren sie, dass spätestens ab dem Masterstudium auch in Deutschland die maßgebliche Sprache Englisch ist. Doch nicht nur Fakten aus Studium und Wissenschaft hatte Czischek mitgebracht. Ihr war es ein großes Anliegen, den jungen Menschen mitzugeben, dass sie sich Dinge zutrauen können. Sie selbst habe während ihres Studiums oft gedacht, sie sei nicht gut genug. „Doch wenn man mit Leidenschaft und Begeisterung arbeitet, kann man viel erreichen.“ Und: Man könne auch aus Misserfolgen lernen, was geht und was nicht. Immer wieder appellierte sie an die zukünftigen Abiturientinnen und Abiturienten, auch im späteren Leben den Austausch und Kontakte zu suchen – letztendlich seien Netzwerke das wichtigste Hilfsmittel, um voranzukommen. In die Zeit des Masterastudiums fiel auch ein Auslandssemester in Schweden. Czischek riet den Schülerinnen und Schülern, in ihrem späteren Studium unbedingt dazu: „Es gibt so viele Möglichkeiten, ein Auslandssemester zu absolvieren und man kann daraus viel mitnehmen.“
Für ihre Doktorarbeit wollte sie die Heidelberger Universität eigentlich verlassen – weil sie dachte, dass sie in ihrem Fachbereich keinen guten Stand hatte: Ein Irrtum, wie sich in einem Gespräch herausstellte. Sie blieb und promovierte im Jahr 2019. Bereits während ihres Studiums hatte sie viele Fachartikel veröffentlicht und insbesondere mit ihrem Thema „Quantensysteme in neuronalen Netzen“ und „Neuromorphe Hardware“ Neuland betreten. Ihre Publikation dazu war die erste überhaupt, die das menschliche Gehirn und die Leistung von Chips mit Quantenphysik in Bezug setzte und die Theorie neuromorpher Chips in die Quantenforschung einbrachte. „Damals war noch gar nicht klar, dass das Thema so bedeutend wird – es hätte auch niemanden interessieren können“, sagt die junge Professorin rückwirkend. „Doch dann hätte es zumindest Spaß gemacht, daran geforscht zu haben.“
Wie bedeutend das Thema tatsächlich war, ist und noch wird, zeigt sich zum einen in der Auszeichnung mit dem Springer Thesis Award, zum anderen im Verlauf der weiteren Karriere von Stefanie Czischek: Die Wissenschaftlerin ging zunächst als Post-Doc an die University of Waterloo (Kanada). „Ich bin gerade noch so zu Beginn der Pandemie nach Kanada gezogen, aber die beiden Jahre dort waren geprägt von den Corona-Bestimmungen. Mit persönlichen Kontakten war es schwierig“, resümiert sie. Dennoch hat sie es geschafft, auch aus dieser Zeit das Beste zu machen, und freut sich jetzt umso mehr an Begegnungen und Austausch. Seit 2022 bekleidet sie nun die Professur in Ottawa. „Nun muss ich zwar auch Vorlesungen halten, aber ich kann mir eine eigene Forschungsgruppe zusammenstellen und weiter an den neuronalen Netzen und Quantensystemen forschen.“ Sie kann sich vorstellen, hier noch eine ganze Zeitlang zu bleiben. Und sie ist froh, dass es ihr gelungen ist, eine wissenschaftliche Karriere ohne lange Befristungen, viele Umzüge und Unsicherheiten geschafft zu haben. Irgendwann zurück nach Deutschland zu kommen, ist für sie und ihren Mann auf jeden Fall eine Option, auch wenn sie sagt, dass Deutschland in der Forschung erheblichen Aufholbedarf habe. „Aber ich habe den Eindruck, es tut sich langsam etwas.“
Einen kleinen Teil ihres Vortrages widmete die Physikerin dann noch ihrer wissenschaftlichen Arbeit, die sie in die Themen „Quantencomputing“ und „Künstliche Intelligenz“ einteilte. Sie stellte ihrem Publikum die „Quantum Bits“ (Qubits) vor, die im Gegensatz zu den klassischen Bits sowohl den Wert „0“ als auch den Wert „1“ gleichzeitig annehmen können. Mit Hilfe dieses „Superposition“ genannten Zustandes können Quantencomputer mehrere Prozesse parallel verarbeiten und somit bestimmte Berechnungen viel schneller durchführen als herkömmliche Computer. Sie können daher zum Beispiel wesentlicher Bestandteil der Künstlichen Intelligenz werden, an der Czischek ebenfalls forscht. „KI“, so die Wissenschaftlerin, „ist die Anwendung von künstlichen neuronalen Netzen, die Bilder und Texte generieren können oder bereits jetzt schon im automatisierten Fahren oder bei den Textvorschlägen der Messenger-Dienste zum Einsatz kommen.“ In einem aktuellen Projekt nutzt sie die Künstliche Intelligenz, um ein einzelnes Qubit zu isolieren. Waren dafür vorher eine große Zahl an Experimenten nötig, kann das automatische Erkennen von Formen und Bildern helfen, genau die richtige Einstellung zu finden, um ein Qubit zu fangen. Ein weiteres Projekt ist die Nutzung von KI für die Darstellung der Qubits: „Bereits einige hundert Qubits haben mehr Zustände als Atome im Universum“, erläuterte Czischek, „wie also können wir diese Systeme theoretisch beschreiben?“
Mit ihren wissenschaftlichen Betrachtungen beeindruckte die ehemalige AvH-Schülerin, auch wenn vermutlich niemand der Anwesenden diesen wirklich folgen konnte. So war ihr auch etwas ganz anderes viel wichtiger: „Ich hätte mir gewünscht, dass es zu meiner Schulzeit schon die Möglichkeit gegeben hätte, sich mit Menschen über ihre Berufe und Karrieren auszutauschen, und ich finde es so gut, dass es das jetzt hier gibt. Daher bin ich gerne gekommen und stehe auch gerne weiterhin für Fragen zur Verfügung. Ich kann alle Schülerinnen und Schüler nur ermutigen, ihren Weg zu finden und beherzt zu gehen. Selbstzweifel gehören dazu, und man kann auch aus Niederlagen lernen. Wichtig ist allein, dass man Interesse, Begeisterung und auch Fleiß mitbringt.“
Text und Foto: Traudi Schlitt